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Zum 2. Sonntag nach dem Christfest, 3. Januar 2021

Gedanken zum Predigttext
Jedes Jahr zogen die Eltern von Jesus zum Passafest nach Jerusalem. Als Jesus zwölf Jahre alt wurde, gingen sie mit ihm über die Feiertage dorthin - so wie es üblich war. Als das Fest vorüber war, machten sie sich wieder auf den Heimweg. Ihr Sohn Jesus blieb in Jerusalem zurück, aber die Eltern merkten es nicht. Sie dachten: „Er ist bei den anderen Reisenden“, und zogen eine Tagesreise weit. Am Abend suchten sie ihn bei den Verwandten und Bekannten. Doch sie konnten ihn nicht finden. Da kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn überall. Dann endlich, am dritten Tag, entdeckten sie ihn im Tempel. Er saß mitten unter den Lehrern. Er hörte ihnen zu und stellte ihnen Fragen. Alle, die ihn hörten, staunten über seine klugen Antworten. Seine Eltern waren fassungslos, als sie ihn hier fanden. Seine Mutter fragte ihn: „Kind, warum hast du uns das angetan? Sieh doch: Dein Vater und ich haben dich verzweifelt gesucht“ Er antwortete ihnen: „Wieso habt ihr mich gesucht? Habt ihr denn nicht gewusst, dass ich bei meinem Vater sein muss?“ Aber sie begriffen nicht, was er da zu ihnen sagte. Dann kehrte Jesus mit seinen Eltern nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Maria prägte sich diese Worte gut ein. Jesus wuchs heran. Er wurde älter und immer klüger. Und Gott und die Menschen hatten ihre Freude an ihm. (Lukas 2,41-52; Übersetzung: BasisBibel)

Jesus war auch mal jung. Aber dies ist die einzige Episode, die aus seiner Jugend in der Bibel erzählt wird. Seine Eltern reisen mit ihm zum Passafest nach Jerusalem. Jesus ist zwölf Jahre alt. Wahrscheinlich bewegt er sich in der Reisegruppe mit Nachbarn und Verwandten ziemlich selbständig. Darum vermissen seine Eltern ihn auf der Rückreise erstmal auch nicht. Erst am Abend stellen sie fest, dass er gar nicht dabei ist.
Sie müssen lange suchen. Erst nach drei Tagen finden sie Jesus im Tempel. Maria macht ihrem Sohn schwere Vorwürfe. Jesus aber bleibt ganz cool, passend für einen Zwölfjährigen. Warum habt ihr mich denn gesucht? fragt er. Wusstet ihr nicht, dass ich nur hier sein kann, im Tempel, im Haus meines Vaters?
Maria und Josef verstehen nicht so recht, was Jesus ihnen damit sagen will. Jesus geht mit ihnen nach Nazareth, nach Hause also. Und er war ihnen gehorsam, das erwähnt das Lukasevangelium ausdrücklich.

Diese Begebenheit hat noch einen anderen Aspekt. Ab dem 13. Lebensjahr wird ein Jude religionsmündig. Von da an ist er selbst verantwortlich für seinen Glauben und für seine Beziehung zu Gott. Er muss die Gebote kennen und im Leben anwenden können. Bar Mitzwa heißt das auf Hebräisch, Sohn des Gesetzes, wörtlich übersetzt. Das ist im Judentum so etwas wie unsere Konfirmation.
Man könnte den Besuch des zwölf Jahre alten Jesus im Tempel also auch als seine Bar Mitzwa, seine Konfirmation, verstehen. Das Gespräch Jesu mit den Gelehrten im Tempel wäre dann die Prüfung, in der sich zeigt, ob er auch wirklich Bescheid weiss über die Gebote.
Und er weiss gut Bescheid, das wird in diesem Gespräch deutlich. Er gibt schlaue Antworten und stellt kluge Fragen. Alle wundern sich über sein Verständnis für die Gebote und für andere Fragen des Glaubens.
Aber er hat ja auch einen Riesenvorteil, würden wir vielleicht einwenden. Er ist schließlich Gottes Sohn, hat Gottes Wort und die Gebote also quasi mit der Muttermilch eingesogen, wie man so sagt.
Aber dieses Bild passt natürlich nicht, und damit sind wir wieder bei Maria. Sie hat nicht verstanden, warum Jesus einfach im Tempel geblieben ist. Obwohl gerade doch sie besser als alle anderen wissen müsste, wer Jesus ist und warum er das tut. Aber so einfach ist das eben nicht. Wo Jesus wirklich zu finden ist, darauf kommen Maria und Josef zunächst nicht. Aber dann zum Glück irgendwie doch.

Wie ist es mit uns, liebe Gemeinde? Wo würden wir Jesus suchen? Wo ist er für uns zu finden? In der Kirche vielleicht? Das ganz gewiss, denn dort ist ja ständig von ihm die Rede. Jedenfalls, wenn Gottesdienste stattfinden. Wo könnten wir ihn sonst noch finden? In der Bibel, in den Berichten über seine Taten, in seinen Gleichnissen und Predigten? Dort ganz bestimmt. Wir müssen nur hineinschauen.
Und wo sonst noch? In unseren Mitmenschen, die unsere Hilfe brauchen oder die uns etwas Gutes tun? Martin Luther sprach in diesem Zusammenhang gern davon, dem anderen ein zu Christus werden. Ja, auch in Begegnungen mit unseren Mitmenschen können wir Jesus finden.
Das Lukasevangelium schildert uns auch mit dieser Begebenheit einen ganz menschlichen Jesus. Er ist nicht nur ein süßes Kind in der Krippe, dessen Geburt von Engelsgesang angekündigt wird. Er ist auch ein Teenager im schwierigen Alter, der seinen Eltern eine freche Antwort gibt, anstatt ihre Sorgen zu verstehen. Aber auch seine besondere Beziehung zu Gott wird in dieser Episode deutlich: Er diskutiert mit den Gelehrten im Tempel, und die wundern sich über seine klugen Fragen und über seine durchdachten Antworten.

In den ersten beiden Kapiteln des Lukasevangeliums geht es darum, dass Gott Mensch wird, wirklich Mensch mit allem, was dazugehört, also auch mit Geburt und Windeln und Konfirmation und Pubertät. Gott wird Mensch mit allem, was dazugehört. Auch der Tod wird am Schluss dazugehören, aber das wird nicht das letzte sein, das von Jesus zu berichten sein wird.
Aber jetzt stehen wir erst einmal am Anfang. Am Anfang seines Lebens und Wirkens und nicht zufällig gleichzeitig am Anfang eines neuen Jahres. Jesus will uns in diesem Jahr begegnen, er will sich von uns suchen und finden lassen, in den Gottesdiensten in unseren Kirchen oder im Internet, in der Bibel, in Begegnungen mit unseren Mitmenschen. Ich wünsche uns, dass wir offen dafür sind, ihn zu finden und ihm zu begegnen.

Harald Möhle, Pastor

Altjahresabend, 31. Dezember 2020

Gedanken zum Predigttext

Die Israeliten brachen von Sukkot auf und schlugen ihr Lager in Etam am Rand der Wüste auf. Der Herr zog vor ihnen her, bei Tag in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten. So konnten sie Tag und Nacht unterwegs sein. Die Wolkensäule wich bei Tag nicht von der Spitze des Volkes und die Feuersäule nicht bei Nacht.
Dieser kurze Abschnitt aus dem 2. Buch Mose berichtet von einer kleinen, aber bedeutsamen Begebenheit aus der Geschichte des Volkes Israel. Die Isareliten sind unterwegs. Sie sind aufgebrochen. Sie haben, nach einigem Hin und Her, Ägypten verlassen, die Sklaverei. Vor langer Zeit hatten sie dort Zuflucht gefunden vor einer Hungersnot, so erzählt die Bibel. Dann aber war ihnen das Land zum Sklavenhaus geworden war. Sie wurden unterdrückt und mussten Zwangsarbeit leisten. Mit Moses Hilfe hatte Gott sie da heraus geholt. Nun will er sie in das Land bringen, das er schon ihren Vorfahren versprochen hatte. Die Zeit in Ägypten, all die schlimmen Erfahrungen, die sie dort gemacht haben, lassen die Israeliten also nun hinter sich. 
So wie wir das zu Ende gehende Jahr mit all den schlimmen Erfahrungen, die wir in ihm machen mussten. Für uns beginnt ein neues Jahr, aber es ist immer noch geprägt von den Bedingungen der Corona-Pandemie. Wir hoffen natürlich darauf, dass wir im Lauf des Jahres zu einem einigermaßen normalen Leben zurückkehren können. Aber es wird auf jeden Fall noch ein langer Weg sein mit vielen Mühen und Einschränkungen. So wie der lange und beschwerliche Weg des Volkes Israel durch die Wüste in das gelobte Land.
Wie die Israeliten bei ihrem Aufbruch aus Ägypten können wir darauf vertrauen, dass Gott mit uns geht und uns begleitet. Die Israeliten haben es dabei ein bisschen besser als wir: Gott ist deutlich sichtbar bei ihnen. Am Tag in einer Wolkensäule und in der Nacht in einer Feuersäule. Die Bibel berichtet, dass die Israeliten trotzdem oft Zweifel hatten, ob Gott auch alles zu einem guten Ende führen würde.
Solche Zweifel sind gewiss auch uns nicht fremd. Ist Gott wirklich da? Begleitet er uns in dieser schwierigen Zeit? Für die Israeliten ist Gott in der Wolken- und Feuersäule immer gut zu erkennen. Wir sehen ihn nicht so deutlich, und auch die Zeichen seiner Gegenwart in unserem Alltag erkennen wir vielleicht oft nur spärlich.
In Jesus hat Gott sich den Menschen ganz anders zu erkennen gegeben als damals den Israeliten in der Form der beiden Säulen. In Jesus ist er einer von uns geworden, um unser ganzes Leben zu teilen, um so ganz bei uns zu sein. Er geht mit uns auf unserem Weg von einem Jahr zum anderen. Er begleitet uns in diesen schwierigen Zeiten und auch dann, wenn wieder bessere Zeiten kommen, worauf wir ja sehr hoffen.
Der Weg der Israeliten durch die Wüste in das versprochene Land war länger und mühsamer als erwartet. Auch unser Weg wird noch eine ganze Weile beschwerlich bleiben. Aber Gott geht mit uns. Darauf dürfen wir vertrauen. Davon bin ich überzeugt.

Harald Möhle, Pastor

Zum 1. Weihnachtstag, 25. Dezember 2020

Gedanken zum Predigttext
Der Duft von frischgebackenen Keksen erfüllte den Raum. Lina war geraden in den letzten Weihnachtsvorbereitungen. Sie musste noch Kekse und die Torte backen, den Rotkohl für die Gans vorkochen, das Haus auf Vordermann bringen und den Tannenbaum schmücken. „Was für ein Stress an Weihnachten“, dachte sie. Aber es war jedes Jahr das Gleiche. Wie immer würde ihre Familie heute zu Besuch kommen; sie würden zusammen Gesellschaftsspiele spielen, gesellig zusammensitzen und über alles mögliche reden, Kuchen essen und anschließend in den Gottesdienst gehen, sich danach die Zeit bis zum Abendessen vertreiben, gemeinsam Weihnachtslieder singen und dann endlich die Geschenke auspacken. Sie würden einfach die Zeit zusammen genießen. Denn die Zeit zusammen war immer etwas Besonderes. 
Lina und ihr Mann hatten keine Kinder. Daher freute sie sich umso mehr, wenn ihre kleine Schwester mit ihrem Mann und den beiden Nichten bereits zum Mittagessen vorbeikommen würden. Ein absolutes Highlight war es für Lina, sich von der Freude ihrer beiden Nichten anstecken zu lassen und in ihre leuchtenden Augen zu sehen, wenn die Geschenke an Weihnachten ein Volltreffer waren. 
Linas Eltern lebten mittlerweile in einem Altenheim. Das Haus mit dem großen Garten war für beide nicht mehr händelbar gewesen. Die Gesellschaft mit der gesamten Familie tat den beiden gut. Manchmal fühlte sich das Leben im Altenheim doch wie in einem Gefängnis an. Sie vermissten das Haus und den großen Garten. Festtage gaben ihnen dann Halt und Weihnachten ganz besonders. 
Lina löste sich von den Gedanken als sie ein Klingeln vernahm. Die Kekse waren fertig. Sie holte die Kekse aus dem Ofen, bereitete den Rotkohl vor, schmückte den Baum, machte die Torte fertig, brachte das Haus in Ordnung und deckte den Tisch; einen Platz mehr als Leute am Tisch. Gerade in den Jahren, in denen das Leben von Krieg und Armut gekennzeichnet war, verirrte sich an Weihnachten öfter mal jemand ins Haus der Großeltern, der dann am Tisch platznahm und etwas zu Essen und zu trinken bekam. Auch Lina wollte anderen Menschen, die an Weihnachten einsam waren, ein bisschen Festfreude bereiten. Daher hatte sie – als sie anfing das Weihnachtsfest auszurichten – die Tradition ihrer Großeltern übernommen und immer einen Platz mehr eingedeckt. In den letzten Jahren hatte sie ab und zu einen weiteren Gast am Tisch ihrer Familie begrüßen dürfen. 
Es klingelte an der Tür. Ihre Schwester war mit ihrem Mann und den beiden Töchtern gekommen. Linas Eltern kamen vor dem Kaffeetrinken. Insgesamt war es ein geselliger Nachmittag. 
Auf dem Weg zur Kirche bestaunte Lina die geschmückten Fenster und Bäume der Nachbarschaft. „Es ist doch immer wieder schön, wenn alles so weihnachtlich geschmückt ist“, dachte sie und merkte, wie der Stress der Weihnachtsvorbereitung von ihr abfiel. 
In der Kirche angekommen, fanden sie nur noch in der letzten Reihe einen Platz. Alle anderen Bänke waren bereits belegt. Lina empfand die Stimmung an Weihnachten in der Kirche als angenehm und hoffnungsvoll. Sie fühlte sich wohl. Orgelmusik erklang und es wurde schlagartig ruhig. Der Pastor begrüßte seine Gemeinde, der Gospelchor sang unterstützt vom Gitarrenclub Weihnachtslieder und man hörte verschiedene Geschichten aus der Bibel. Schließlich stand der Pastor auf und betrat die Kanzel. 
„Liebe Gemeinde, der heutige Predigttext steht im Titusbrief, im 3. Kapitel:
Aber dann erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Retters.
Wir selbst hatten keine guten Taten vorzuweisen, mit denen wir vor ihm hätten bestehen können. Nein, aus reinem Erbarmen hat er uns gerettet durch das Bad der Taufe – das Bad, in dem wir zu einem neuen Leben geboren wurden, erneuert durch den Heiligen Geist. Ihn hat er in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter. Durch dessen Gnade können wir vor Gott als gerecht bestehen, und darum sind wir auch eingesetzt zu Erben des ewigen Lebens, auf das wir nun hoffen dürfen.“
Lina hörte ganz genau zu, denn sie fand es immer wieder spannend, was man aus den alten Texten für das eigene Leben herauslesen konnte. Der Pastor sprach weiter: „Die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes will uns helfen, die Freude über Weihnachten zu bewahren und mitzunehmen in unseren Alltag. Und sie weiterzugeben. Die Geschichte unseres christlichen Glaubens hat ihren Anfang in der Freundlichkeit des Kindes in der Krippe und sie hört dort nicht auf. Jesus hat später vorgelebt, wie sich diese Menschenfreundlichkeit im Alltag dieser Welt bewährt. Sie ermutigt diejenigen, die Frieden stiften und sich nach der Gerechtigkeit auf dieser Welt sehnen. Sie gibt Rückhalt denen, die sich nach Veränderung sehnen, sowie denen, die sich für Benachteiligte einsetzen. Freundlichkeit hat etwas Ansteckendes und Gottes Weihnachtswunsch an uns ist es, dass wir uns noch mehr von seiner Freundlichkeit anstecken lassen und von seiner Menschenliebe.“ 
Als Lina mit ihrer Familie nach dem Gottesdienst aus der Kirche trat, staunte sie nicht schlecht, als vom Himmel ein paar Schneeflocken herunterkamen. Die Mädels streckten die Zunge raus und fingen einige Schneeflocken mit ihrer Zunge auf. Lina lächelte und guckte in den Himmel. Einige Schneeflocken kitzelten ihre Nase. „Ob wir wohl heute auch wieder einen Gast bekommen?“, fragte sie in den Himmel. 
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Vikarin Vanessa Bethe

Zum 1. Sonntag nach dem Christfest, 3. Januar 2021

Gedanken zum Predigttext
Jedes Jahr zogen die Eltern von Jesus zum Passafest nach Jerusalem. Als Jesus zwölf Jahre alt wurde, gingen sie mit ihm über die Feiertage dorthin - so wie es üblich war. Als das Fest vorüber war, machten sie sich wieder auf den Heimweg. Ihr Sohn Jesus blieb in Jerusalem zurück, aber die Eltern merkten es nicht. Sie dachten: „Er ist bei den anderen Reisenden“, und zogen eine Tagesreise weit. Am Abend suchten sie ihn bei den Verwandten und Bekannten. Doch sie konnten ihn nicht finden. Da kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn überall. Dann endlich, am dritten Tag, entdeckten sie ihn im Tempel. Er saß mitten unter den Lehrern. Er hörte ihnen zu und stellte ihnen Fragen. Alle, die ihn hörten, staunten über seine klugen Antworten. Seine Eltern waren fassungslos, als sie ihn hier fanden. Seine Mutter fragte ihn: „Kind, warum hast du uns das angetan? Sieh doch: Dein Vater und ich haben dich verzweifelt gesucht“ Er antwortete ihnen: „Wieso habt ihr mich gesucht? Habt ihr denn nicht gewusst, dass ich bei meinem Vater sein muss?“ Aber sie begriffen nicht, was er da zu ihnen sagte. Dann kehrte Jesus mit seinen Eltern nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Maria prägte sich diese Worte gut ein. Jesus wuchs heran. Er wurde älter und immer klüger. Und Gott und die Menschen hatten ihre Freude an ihm. (Lukas 2,41-52; Übersetzung: BasisBibel)

Jesus war auch mal jung. Aber dies ist die einzige Episode, die aus seiner Jugend in der Bibel erzählt wird. Seine Eltern reisen mit ihm zum Passafest nach Jerusalem. Jesus ist zwölf Jahre alt. Wahrscheinlich bewegt er sich in der Reisegruppe mit Nachbarn und Verwandten ziemlich selbständig. Darum vermissen seine Eltern ihn auf der Rückreise erstmal auch nicht. Erst am Abend stellen sie fest, dass er gar nicht dabei ist.
Sie müssen lange suchen. Erst nach drei Tagen finden sie Jesus im Tempel. Maria macht ihrem Sohn schwere Vorwürfe. Jesus aber bleibt ganz cool, passend für einen Zwölfjährigen. Warum habt ihr mich denn gesucht? fragt er. Wusstet ihr nicht, dass ich nur hier sein kann, im Tempel, im Haus meines Vaters?
Maria und Josef verstehen nicht so recht, was Jesus ihnen damit sagen will. Jesus geht mit ihnen nach Nazareth, nach Hause also. Und er war ihnen gehorsam, das erwähnt das Lukasevangelium ausdrücklich.

Diese Begebenheit hat noch einen anderen Aspekt. Ab dem 13. Lebensjahr wird ein Jude religionsmündig. Von da an ist er selbst verantwortlich für seinen Glauben und für seine Beziehung zu Gott. Er muss die Gebote kennen und im Leben anwenden können. Bar Mitzwa heißt das auf Hebräisch, Sohn des Gesetzes, wörtlich übersetzt. Das ist im Judentum so etwas wie unsere Konfirmation.
Man könnte den Besuch des zwölf Jahre alten Jesus im Tempel also auch als seine Bar Mitzwa, seine Konfirmation, verstehen. Das Gespräch Jesu mit den Gelehrten im Tempel wäre dann die Prüfung, in der sich zeigt, ob er auch wirklich Bescheid weiss über die Gebote.
Und er weiss gut Bescheid, das wird in diesem Gespräch deutlich. Er gibt schlaue Antworten und stellt kluge Fragen. Alle wundern sich über sein Verständnis für die Gebote und für andere Fragen des Glaubens.
Aber er hat ja auch einen Riesenvorteil, würden wir vielleicht einwenden. Er ist schließlich Gottes Sohn, hat Gottes Wort und die Gebote also quasi mit der Muttermilch eingesogen, wie man so sagt.
Aber dieses Bild passt natürlich nicht, und damit sind wir wieder bei Maria. Sie hat nicht verstanden, warum Jesus einfach im Tempel geblieben ist. Obwohl gerade doch sie besser als alle anderen wissen müsste, wer Jesus ist und warum er das tut. Aber so einfach ist das eben nicht. Wo Jesus wirklich zu finden ist, darauf kommen Maria und Josef zunächst nicht. Aber dann zum Glück irgendwie doch.

Wie ist es mit uns, liebe Gemeinde? Wo würden wir Jesus suchen? Wo ist er für uns zu finden? In der Kirche vielleicht? Das ganz gewiss, denn dort ist ja ständig von ihm die Rede. Jedenfalls, wenn Gottesdienste stattfinden. Wo könnten wir ihn sonst noch finden? In der Bibel, in den Berichten über seine Taten, in seinen Gleichnissen und Predigten? Dort ganz bestimmt. Wir müssen nur hineinschauen.
Und wo sonst noch? In unseren Mitmenschen, die unsere Hilfe brauchen oder die uns etwas Gutes tun? Martin Luther sprach in diesem Zusammenhang gern davon, dem anderen ein zu Christus werden. Ja, auch in Begegnungen mit unseren Mitmenschen können wir Jesus finden.
Das Lukasevangelium schildert uns auch mit dieser Begebenheit einen ganz menschlichen Jesus. Er ist nicht nur ein süßes Kind in der Krippe, dessen Geburt von Engelsgesang angekündigt wird. Er ist auch ein Teenager im schwierigen Alter, der seinen Eltern eine freche Antwort gibt, anstatt ihre Sorgen zu verstehen. Aber auch seine besondere Beziehung zu Gott wird in dieser Episode deutlich: Er diskutiert mit den Gelehrten im Tempel, und die wundern sich über seine klugen Fragen und über seine durchdachten Antworten.

In den ersten beiden Kapiteln des Lukasevangeliums geht es darum, dass Gott Mensch wird, wirklich Mensch mit allem, was dazugehört, also auch mit Geburt und Windeln und Konfirmation und Pubertät. Gott wird Mensch mit allem, was dazugehört. Auch der Tod wird am Schluss dazugehören, aber das wird nicht das letzte sein, das von Jesus zu berichten sein wird.
Aber jetzt stehen wir erst einmal am Anfang. Am Anfang seines Lebens und Wirkens und nicht zufällig gleichzeitig am Anfang eines neuen Jahres. Jesus will uns in diesem Jahr begegnen, er will sich von uns suchen und finden lassen, in den Gottesdiensten in unseren Kirchen oder im Internet, in der Bibel, in Begegnungen mit unseren Mitmenschen. Ich wünsche uns, dass wir offen dafür sind, ihn zu finden und ihm zu begegnen.

Harald Möhle, Pastor

Advent null - eine Chronik

1. Advent
Die Sterndeuter aus dem Osten, die später zu den Heiligen drei Königen wurden, waren die ersten, die loszogen. Kaum hatten sie den Stern entdeckt, machten sie sich auf den Weg. Der war schließlich weit. Es ist nicht überliefert, wie lange sie unterwegs waren. Aber bestimmt sind sie spätestens am 1. Advent vor 2020 Jahren in ihrer Heimat aufgebrochen.
Natürlich wusste damals noch keiner, dass dieser Tag mal der erste Advent werden würde. Aber zu dem Zeitpunkt war ja eigentlich alles von dem noch unbekannt, was sich dann dort in Bethlehem und Umgebung abspielen würde. Nur die Sterndeuter ahnten etwas und machten sich deshalb auf den Weg.
Ob Augustus seinen Befehl da schon erlassen hatte? Beschlossen hatte er ihn bestimmt schon, denn auch Rom war weit weg von Judäa oder Israel, und es brauchte damals seine Zeit, bis dieser Befehl über Boten seine Adressaten erreicht hatte. Also ist zu vermuten, dass heute vor 2020 Jahren auch schon ein Bote des römischen Kaisers unterwegs nach Jerusalem war.
Und Maria und Josef? Maria war nun im 9. Monat. Lange würde es nicht mehr dauern. Es wurde allmählich anstrengend, gut, dass es bald vorbei war. Josef ging noch wie gewohnt jeden Morgen zur Arbeit und kam abends wieder nach Hause. Wussten die beiden schon, was ihnen bevorstand? Kaum, denn der Bote aus Rom war ja noch unterwegs.
Nur die Sterndeuter wussten, was passieren würde. Das dachten sie jedenfalls. Ein neuer König würde in Jerusalem oder in Israel geboren werden. Das sagten ihnen die Sterne. Genauer die beiden Planeten, die in jener Zeit am Himmel so nahe beieinander standen, dass das einfach etwas bedeuten musste. Jupiter und Saturn waren es. Jupiter, der größte Planet, stand für den König, und der Saturn für Israel. Dass beide so nahe beieinander standen, bedeutete für die Sterndeuter also, dass es einen neuen König in Israel geben würde. Und den wollten sie begrüßen und deshalb machten sie sich auf den Weg.
Und die Hirten? Was machten die am 1. Advent vor 2020 Jahren? Die machten natürlich ihre Arbeit. Sie waren auf den Feldern bei den Hürden und wachten über ihre Herden. Das machten sie immer, jeden Tag und jede Nacht, also auch ungefähr dreieinhalb Wochen vor jenem denkwürdigen Ereignis in Bethlehem, das ihnen einen Eintrag in die Geschichtsbücher bescheren würde. Oder wenigstens in die Bibel.
Wen haben wir noch? Quirinius, der römische Statthalter, der dafür sorgen musste, dass der Befehl des Kaisers weitergeleitet und ausgeführt wurde. Er hat noch ein bisschen Zeit, der Bote mit dem Befehl ist ja noch unterwegs. Er wird also seinen normalen Regierungsgeschäften nachgegangen sein oder er hat einfach die Annehmlichkeiten des Lebens in der Provinz genossen.Und dann wäre da noch der Hotelier in Bethlehem, der später kein Zimmer für Maria und Joseph hatte. Wahrscheinlich war es nicht nur einer, sondern mehrere, der Behoga, der Bethlehemer Hotel- und Gaststättenverband sozusagen. Wenn der Befehl des Kaisers noch gar nicht angekommen ist, ahnen sie noch nichts von dem Riesenansturm, der auf sie zukommt, und von dem Riesengeschäft, das sie damit machen werden. Sie haben übrigens auch keine Ahnung von Beherbergungsverboten und Lockdowns, mit denen sich Wirte und Hoteliers unserer Zeit herumschlagen müssen.
Noch ist alles ruhig am 1. Advent vor 2020 Jahren in Bethlehem, in Nazareth, in Jerusalem und in Rom. Der Befehl des Kaisers ist auf dem Weg, die Sterndeuter aus dem Osten sind es auch. Die Hirten sind auf dem Felde und auf dem Posten, wie immer. Maria fällt das Gehen immer schwerer, Joseph zimmert die letzten Dachstühle, Quirinius genießt sein Leben, die Wirte und Hoteliers in Bethlehem ahnen noch nichts, und wir, wir fangen langsam an, uns auf das große Fest vorzubereiten, das jene Ereignisse vor 2020 Jahren uns beschert haben.

2. Advent
Die Sterndeuter sind nun, am 2. Advent vor 2020 Jahren, schon ein paar Tage unterwegs. Der Stern oder besser die beiden Planeten zeigen ihnen unentwegt den Weg. Wie diese Reise ablief, darüber ist nichts überliefert. Einige Legenden gibt es über ihre Rückreise, aber die basieren alle darauf, dass sie Gott in dem Kinde bereits begegnet sind. Noch aber sind sie auf dem Weg zu ihm und ahnen ja noch nicht einmal, was sie erwartet. Wahrscheinich spulen sie ihre Tagesetappen routiniert ab. Jeden Tag dasselbe, Aufstehen mit dem Sonnenaufgang, Morgenmahlzeit, Zelte abbrechen, alles Gepäck auf den Kamele packen und los geht’s im immer gleichen Trott durch die öde Wüstenlandschaft der arabischen Halbinsel. Vielleicht hier und da mal eine Oase, aber vielleicht wars auch nur eine Fata Morgana.
Der Bote des römischen Kaisers unterdessen hat sein Ziel erreicht. Er lässt sich bei Quirinius melden und liefert den Befehl ab. Dann darf er sich ein bisschen ausruhen und sich dann auf den Rückweg machen. Er wird also von den Ereignissen, die der von ihm überbrachte Befehl auslöst, nichts mitbekommen.
Quirinius wird aktiv, notgedrungen. Ich stelle mir vor, wie er seinen halb ausgetrunkenen Cocktail wegstellt, sich aus dem Liegestuhl hochrappelt, sich in die Vorhalle seiner Villa begibt und seine Hauptleute zusammenrufen lässt. Denen teilt er dann den Befehl des Kaisers mit und überlässt es ihnen, ihn bis in die hintersten Winkel der Provinz zu verbreiten. Die Hauptleute wiederum sagen es ihren Offizieren, die wieder ihren Unteroffizieren, die dann schließlich ihre Soldaten losschicken, um den Befehl des Kaisers in allen Dörfern und Städten der Provinz bekannt zu machen. Und dann darauf zu achten, dass die Leute ihn auch befolgten, damit die Dinge ihren Lauf nehmen konnten und Jesus dem Ort seiner Geburt näher gebracht wurde.
Auf dem Heimweg von der Arbeit hörte Joseph, wie dieser Befehl in Nazareth ausgerufen wurde. Alle Bewohner der Provinz sollten sich in Listen eintragen lassen, zwecks besserer Erhebung der Steuer, und zwar an dem Ort, wo seine Familie herstammte. Joseph war schon ein paar Schritte weitergegangen, als ihm klar wurde, was das für ihn bedeutete. Er musste wohl oder übel nach Bethlehem reisen, schließlich stammte er aus der altehrwürdigen Familie des Königs David, und der war nun mal aus Bethlehem. Und dann wurde Joseph klar, dass er Maria ja mitnehmen musste. Schließlich war sie seine Verlobte.
Aber da war ja noch dieses Problem: Marias Bauch wurde immer dicker, und sie waren immer noch nicht verheiratet. Und außerdem, warum und woher war Maria eigentlich schwanger? Sie hatten doch noch gar nicht… Sie wissen schon. Eigentlich geht das gar nicht, dachte Joseph. Er hätte die Verlobung schon längst lösen sollen. Aber er mochte Maria einfach so sehr, und er wollte sie auch nicht so einfach sitzen lassen, auch wenn ihre Erklärung, woher diese Schwangerschaft kam, alles andere als überzeugend war. Auf der anderen Seite konnte er nicht glauben, dass sie ihn wirklich betrogen hatte. Was also tun? Einfach weitermachen und wie bisher so tun, als ob nichts wäre? Aber es war doch was. Maria war schwanger. Und nun noch diese Reise. Wenn er Maria verlassen würde, bliebe ihr immerhin diese anstrengende Reise erspart… Soweit zu Josephs Problemen, die auch schon ohne den Befehl des Kaisers vertrackt genug waren.
Die Hoteliers und Wirte vollzogen unterdessen den nächsten Bettenwechsel, schließlich war ja Wochenende. Vielleicht hatten sie schon von dem Befehl des Kaisers gehört. Vielleicht musste ja auch der eine oder andere von ihnen deshalb irgendwo anders hinreisen. Bestimmt aber hatten die Findigen unter ihnen schon bemerkt, welche wirtschaftlichen Chancen für sie in dieser kaiserlichen Anordnung lagen. Deshalb setzten sie die Preise vorsichtshalber gleich schon mal um 25% rauf.
Die Hirten sind von alldem nicht betroffen. Sie kommen daher, wo sie wohnen, und sie sind viel zu arm, um Steuern zu zahlen. Also brauchten sie sich auch nicht in die Listen eintragen zu lassen. Und so waren sie wie immer auf den Feldern bei den Hürden und wachten über ihre Herden. So also war die Lage am 2. Advent vor 2020 Jahren.

3. Advent

Hatte er das nur geträumt, fragte Joseph sich, als er am Morgen des 3. Advent vor 2020 Jahren aufwachte, oder war ihm in der vergangenen Nacht wirklich ein Engel erschienen? Morgen sollte es losgehen. Musste es losgehen, wenn er rechtzeitig in Bethlehem sein wollte. Er hatte sich in den letzten Tagen entschlossen, ohne Maria zu reisen. Sie waren schließlich nur verlobt, und auch das würde er beenden. Schließlich war es nicht sein Kind, das sie unter dem Herzen trug. Sollte sie doch sehen, wie sie klarkam. Aber nun dieser Engel vergangene Nacht. Hab Vertrauen, Joseph, hatte er ihm gesagt, verlass Maria nicht. Klar, das Kind ist nicht von dir. Es ist von Gott. Aber du wirst gebraucht. Als Beschützer, als Versorger, als Vater. Ja, auch als Vater. Hab Vertrauen.
Was sollte er davon halten? Es wurde Zeit, aufzubrechen. Also würde er Maria mitnehmen. Trotz ihres Zustands, wenn Gott das so wollte. Dann würde er doch auch dafür sorgen, dass alles gut ging, oder? Sie begannen, zusammenzupacken, und am nächsten Morgen ging es los.
Und die drei Weisen? Wie mag es ihnen zur Halbzeit ergehen? War vielleicht der Himmel bedeckt, so dass sie den Stern nicht mehr sehen konnten? Wolken sind selten in der Wüste, aber wer weiß. Sie mussten versuchen, die Richtung zu halten und hoffen, dass sie nicht allzu weit vom Weg abkamen. Vielleicht wurden sie auch der langen Reise langsam überdrüssig. Ein Lagerkoller stellte sich ein, sie fratzten einander an, es lief nicht mehr rund, sie hatten das strahlende Ziel irgendwie aus den Augen verloren. Wo sollte es nun langgehen? Sollten sie umkehren? Auf keinen Fall. Sie waren nun doch schon so weit gekommen. Und die Wolken würden sich verziehen, dann würden sie wieder klar sehen. Auf geht’s, weiter.
Bei Quirinius herrschte wieder Ruhe. Zeit, um das Leben in der Provinz wieder zu genießen. Die Dinge gingen ihren Gang, in ein paar Tagen oder Wochen würden die Soldaten die Listen zurückbringen. Die würde er dann nach Rom bringen lassen. Auf ein paar Tage oder meinetwegen auch Wochen mehr oder weniger kam es dabei nicht an. Keine besonderen Vorkommnisse also.
Und die Hirten? Merkten sie schon eine Veränderung? Wurden die Schafe unruhig? Tiere merken ja immer viel früher, wenn etwas besonderes geschieht, sagt man. Wenn es ein Erdbeben gibt oder einen Vulkanausbruch oder ein schlimmes Unwetter. Es gibt ja diese Legenden, dass die Luft auf einmal ganz frühlingshaft gewesen sei, als das göttliche Kind geboren war. Wurde es schon milder, zu warm für die Jahreszeit? Oder war es kalt und ungemütlich wie immer dort auf den Feldern bei den Hürden und den Herden?
Die Hoteliers und Gastwirte in Bethlehem und anderswo stiegen langsam in das Geschäft mit dem Befehl des Kaisers ein. Mit dem nächsten Bettenwechsel hatte sie die Preise vorsichtshalber noch einmal um 25% erhöht, merkte ja keiner von denen, die von weit her anreisten. Einige waren tatsächlich schon angekommen in der Stadt Davids. Nicht wenige in Israel führten ihre Herkunft nur zu gerne auf den legendären König David zurück. Entsprechend voll wurde es in Bethlehem, ein Umstand, unter dem Maria und Joseph bald zu leiden haben würden.

4. Advent
Die drei Weisen aus dem fernen Osten sind die ersten, die ankommen. Ja, sie sind am 4. Advent im Jahr null, wenige Tage vor der Geburt Jesu schon da, wo sie hinwollten: in Jerusalem, beim Königspalast. Da dürfte der neugeborene König doch wohl zu finden sein, oder? Ich stelle mir vor, dass die Palastwache gleich erkennt, dass sie wichtige Persönlichkeiten sind, und sie sofort zu König Herodes durchlässt. „Wo ist der neugeborene König der Juden“, fragen sie Herodes in aller Unschuld. Der aber erschrickt, und mit ihm ganz Jerusalem, so heißt es in der Bibel. Ich stelle mir dabei immer vor, wie Herodes vor Schreck den Atem anhält und mit ihm die ganze Stadt, obwohl nur die wenigsten etwas vom Besuch der drei besonderen Gestalten mitbekommen haben dürfte. 
„Ja, äh…“, irgendetwas in der Art dürfte Herodes dann wohl gestammelt haben, „äh, hier nicht, also, lasst mich nachforschen, einen Moment.“ Und dann ist er draußen und ruft in Windeseile seine Berater und Hofprediger zusammen und verlangt von ihnen Aufklärung. Was für eine Verwirrung. „Ein neugeborener König, warum weiß ich davon nichts? Mir ist jedenfalls nicht kürzlich ein Stammhalter, ein Nachfolger geboren. Geht es um einen Putsch? Oder hat Gott da etwa seine Hand im Spiel? Steht etwas in den Heiligen Schriften? Los, schaut nach und sagts mir!“
Die Ratgeber des Königs kommen bald darauf, dass diese Geburt in Bethlehem stattfinden müsste. Das hatte der Prophet Micha in den Heiligen Schriften so angekündigt. Also, auf nach Bethlehem. Das war gar nicht mehr weit, etwa eine Tagesreise. Morgen würde es weitergehen. - Was Herodes dann noch mit seinen Ratgebern besprach, davon bekamen die drei Weisen nichts mehr mit.
Sie übernachteten also in Jerusalem, und ich könnte mir gut vorstellen, dass auch Maria und Joseph sich gerade an dem Tag in dieser Stadt aufhielten. Auf dem Weg von Nazareth nach Bethlehem mussten sie auf jeden Fall durch Jerusalem durch, und bestimmt haben sie dort noch einmal übernachtet. Jerusalem war groß, da gab es genug Herbergen mit freien Zimmern, nicht solche Probleme wie später in Bethlehem. Vielleicht haben sie sogar noch ein bisschen Sightseeing gemacht und sich den Königspalast angeschaut. Und wer weiß, wer weiß, vielleicht sahen sie da gerade die drei Weisen hineingehen oder herauskommen…
Und die Hirten? Die waren wie immer auf den Feldern bei den Hürden und hüteten des Nachts und des Tags ihre Herden. Schon fast die ganze Adventszeit des Jahres null war nun rum, ohne dass sie etwas davon gemerkt hätten. Alles war wie immer, vielleicht war es ein bisschen kälter als sonst um diese Jahreszeit, vielleicht auch ein bisschen wärmer, aber nichts auffälliges auf jeden Fall.
Und die Wirte? Deren Geschäft kam langsam in Fahrt, die meisten kamen ja nicht erst auf den letzten Drücker, um sich in die Listen eintragen zu lassen, es gab ja vielleicht auch gar keinen letzten Drücker, außer für Maria, weil jetzt sich schon mal leichte Wehen bemerkbar machten. Wurde Zeit, dass sie ans Ziel kamen und eine Bleibe fanden. Oder lieber die Geburt in Jerusalem abwarten? Vielleicht sind sie noch einen Tag länger dageblieben, aber als es dann doch nicht losging, sind sie doch wieder losgegangen, die letzten zehn, zwölf Kilometer nach Bethlehem.
Und Quirinius? Ach, Quirinius, der lag längst wieder auf seinem Liegestuhl, schlürfte seinen Cocktail und bekam von all dem, was nun in den nächsten Tagen geschehen sollte, gar nichts mehr mit. Das würde erst seinem Nachnachfolger Pilatus zu schaffen machen, was sich da in wenigen Tagen in einem Viehunterstand bei den Feldern von Bethlehem ereignen würde.

Zum Sonntag Exaudi, 24. Mai 2020

Gedanken zum Predigttext:
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den Herrn«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken. (Jeremia 31,31-34)
Das hört sich doch gut an, was Gott hier durch seinen Propheten verkündigen lässt. Gott will einen neuen Bund mit seinem Volk schließen. Gott bleibt seinem Volk treu, auch wenn es ihm vielfach untreu geworden ist. Das macht der Prophet deutlich. Aber Gott will sich den Menschen anders zuwenden, als er es bisher getan hat. Er will ihnen seinen Willen nicht mehr auf Steintafeln oder Schriftrollen kundtun, sondern er will ihn direkt in ihr Herz geben und ihr Gewissen schreiben.
Dann werden die Menschen nicht mehr bei den Zehn Geboten nachschlagen zu brauchen, um zu erkennen, wie sie sich verhalten sollen. Dann brauchen sie nur noch in sich hineinhorchen, auf die Stimme ihres Gewissens hören, um nach Gottes Willen und Gebot leben zu können. Es wird zu ihrem Menschsein gehören, nach Gottes Willen zu leben. Es wird eine menschliche Eigenschaft sein, Gottes Willen zu tun.
Was ist das für eine hoffnungsvolle Vorstellung! Keiner würde mehr etwas Böses tun, alle nur noch Gutes. Es gäbe keine Ungerechtigkeiten mehr auf der Welt, keinen Krieg, und alle Menschen hätten genug zum Leben. Das wäre das Paradies auf Erden. „Es dauert nicht mehr lange“, bis es soweit ist, lässt Gott durch seinen Propheten ausrichten.
Als Christen glauben wir, dass Gott diesen neuen Bund mit den Menschen durch Jesus Christus geschlossen hat und dass er ihn durch den heiligen Geist besiegelt hat. Jesus hat uns gezeigt, wie wir nach Gottes Willen miteinander leben können. Der Heilige Geist gab am ersten Pfingstfest den Jüngern den Mut, sich öffentlich zu Jesus zu bekennen und den Menschen seine Worte und Taten weiterzusagen. Gottes Geist ermöglicht es uns, als Jesu Nachfolgerinnen und Nachfolger in dieser Welt zu leben. Seit Pfingsten ist erfüllt, was Gott durch den Propheten Jeremia angekündigt hatte: „Ich werde ihnen mein Gesetz nicht auf Steintafeln, sondern in Herz und Gewissen schreiben. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein. Keiner muss dann noch seinen Mitmenschen belehren, keiner seinem Bruder sagen: 'Lerne den Herrn kennen!' Denn alle werden dann wissen, wer ich bin.“
„Es dauert nicht mehr lange“, hatte Gott durch seinen Propheten ausrichten lassen. Zwar glauben wir, dass Gottes Reich mit Jesus angebrochen ist, dass es schon jetzt da ist. Doch der Blick in die Realität zeigt uns, dass noch viel zu seiner Vollendung fehlt. Die endgültige Erfüllung dieser Verheißung steht noch aus. Darauf warten wir.
Doch ein Teil der Verheißung ist schon jetzt erfüllt: Gott vergibt uns unsere Schuld um Jesu Leben und Sterben willen. Wenn wir noch nicht vollkommen nach seinem Willen handeln, ist er bereit, uns zu vergeben. Seine Gnade gilt uns dauerhaft. Unser Versagen macht seine Zuwendung zu uns und seine Treue  nicht hinfällig. Auch in diesem Sinn ist es ein neuer Bund mit den Menschen, den Gott mit Jesus angefangen hat. Seine Gnade gilt uns jeden Tag neu. Wer aus der Vergebung lebt, erkennt Gott neu, steht mit ihm in einer innigen Beziehung und braucht keine Belehrungen mehr darüber, wer Gott ist. Wer aus der Vergebung lebt, braucht keine Steintafeln mit Geboten oder Gesetzesbücher mehr. Er erkennt, dass Gott ihn und alle Menschen liebt und dass es sein Wille für uns ist, diese Liebe unseren nahen und fernen Mitmenschen weiterzugeben und so seinem Reich immer mehr Wirklichkeit werden zu lassen.
Harald Möhle, Pastor

Zum Sonntag Rogate, 17. Mai 2020

Gedanken zum Predigttext:
Jesus lehrte seine Jünger und sprach: Wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten:
Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben. (Matthäus 6,5-15)

Betet, das bedeutet der Name dieses Sonntags Rogate auf Deutsch. Betet. Hört nicht auf, mit Gott im Gespräch zu bleiben. Dazu fordert dieser Sonntag uns mit seinem Namen auf. Und Jesus gibt uns im Predigttext, der ein Abschnitt aus der Bergpredigt ist, einige Tipps dazu.
Unser Gebet, sagt Jesus als erstes, soll keine Showveranstaltung für andere sein, an denen die erkennen können, wie fromm wir sind. Die Gefahr, dass jemand seine Frömmigkeit allzu sehr herausstellt, besteht heutzutage allerdings eher nicht mehr, so ist mein Eindruck. Vielmehr wird Jesu Rat, sich zum Gebet ins stille Kämmerlein zurückzuziehen und im Verborgenen mit Gott zu reden, von manchen so gut befolgt, dass gar nicht mehr erkennbar ist, dass sie noch im Gespräch mit Gott sind.
Das ist natürlich nicht in Jesu Sinne. Er möchte, dass wir beten, dass wir mit Gott im Gespräch bleiben. Und wir brauchen dazu gar nicht viele Worte machen. Wir sollen nicht plappern wie die Heiden, sagt Jesus. Das klingt ein bisschen respektlos, finde ich. Aber es macht klar, worauf es ankommt und worauf nicht. Wir können und sollen uns in unserem Gebet auf das Wesentliche konzentrieren. Gott weiß ja, wie es uns geht. Wir brauchen ihm nicht alles lang und breit erklären, was uns bewegt, es reicht, es kurz zu benennen. Wir müssen nicht fürchten, unerhört zu bleiben, wenn wir Gott unsere Anliegen nur kurz schildern.
Deshalb gibt Jesus seinen Jüngern und uns allen das Vater unser. Es nimmt in wenigen Worten so gut wie alles in den Blick, was für uns wichtig ist, für unser tägliches Leben und für unsere Beziehung zu Gott. Nicht ohne Grund ist dieses Gebet das Grundgebet der gesamten Christenheit geworden über alle Konfessionen hinweg. Es ist für den täglichen Gebrauch bestimmt.
Jesus zeigt uns damit, dass wir keine großen Worte zu machen brauchen, um vor Gott Gehör zu finden und ihm zu sagen, was uns beschäftigt. Gott möchte mit uns im Gespräch bleiben. Er möchte unsere Anliegen von uns hören. Er möchte mit uns in Beziehung bleiben. Es geht beim Beten darum, ihm unsere Sorgen und Freuden mitzuteilen, sie mit ihm zu teilen, so, wie viele Menschen heutzutage Bilder und Texte in den sozialen Medien miteinander teilen.
Es geht beim Beten im Übrigen nicht in erster Linie darum, dass wir etwas bekommen. Es geht auch darum, dass wir erkennen, wie angewiesen wir sind. Angewiesen auf die Gnade und Liebe Gottes natürlich, angewiesen in vielerlei Hinsicht aber auch auf das, was andere für uns tun, auf die Solidarität unserer Mitmenschen. Das merken wir in dieser Krisenzeit besonders. Wir sind - unter anderem - darauf angewiesen, dass andere die Abstandregeln einhalten, dass sie einen Mund-Nasen-Schutz tragen, um das Risiko zu verkleinern, dass sie jemanden anstecken.
Natürlich beten wir in diesen Zeiten auch darum, dass Gott uns beschützt und bewahrt. Vor allem aber darum, dass er bei uns ist und mit uns geht durch diese schwierige Zeit. Wir können alles, was uns in dieser Zeit beschäftigt und bewegt, mit ihm teilen. Es geht beim Beten darum, mit ihm in Beziehung zu bleiben. Und das ist in dieser Zeit, in der es wegen der Abstandgebote so schwierig ist, unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zu pflegen, irgendwie besonders wichtig.

Harald Möhle, Pastor

Zum Sonntag Kantate, 10. Mai 2020

Gedanken zum Predigttext:
Salomo versammelte alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des Herrn hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist. Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten.
Und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den Herrn lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des Herrn, sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes. (2. Chronik 5,2-5.12-14)

Man muss es wohl zweimal oder noch öfter lesen, um sich das ganze Bild vorstellen zu können, das uns da in den Versen aus dem 2. Buch der Chronik vor Augen geführt wird. Schauen wir es uns genauer an: König Salomo von Israel hatte Gott einen Tempel gebaut. Nun wird der feierlich eingeweiht. Alle kommen zusammen, naja, fast alle. Die Leviten, einer der Stämme, dessen besondere Aufgabe der Dienst im Tempel werden soll, brachten die Lade herbei. Die Lade, das war ein hölzerner Kasten. Er hatte die Israeliten auf ihrem Weg durch die Wüste aus der Knechtschaft in Ägypten in das versprochene Land begleitet. In dem Kasten wurden die beiden Tafeln mit den Geboten aufbewahrt wurden, die Mose von Gott bekommen hatte.
Die Leviten, die Sänger waren, stimmen ein Lied an, begleitet von Trompeten und anderen Instrumenten. Und obwohl viele singen und über hundert Instrumente ertönen, klingt es doch wie eine Stimme und wie ein Instrument. Die Musik erfüllt den Tempel, der Klang breitet sich aus wie ein Wolke. Die Klangwolke, die das Lob Gottes singt, erfüllt den ganzen Raum bis in den letzten Winkel: „Gott ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig“, so singen sie. Und es ist mehr als eine Klangwolke, so wird es hier beschrieben, es ist die Herrlichkeit Gottes selbst, die das ganze Haus erfüllt, so erfüllt, dass die Priester nicht hineingehen können, um ihren Dienst aufzunehmen, denn das ganze Haus war voll von Gottes Gegenwart.
Ein tolles Bild. Gott ist spürbar präsent. Gottes Gegenwart erfüllt sein Haus. Damals den Tempel, heute die Kirche. Zum Glück aber nicht so, dass niemand mehr hinein könnte. Hinein konnten wir in unsere Kirchen aus ganz anderen Gründen in den letzten Wochen nicht. Doch nun können wir bald wieder Gottesdienste feiern, wenn auch mit Einschränkungen. Besonders schmerzlich ist, gerade an diesem Sonntag mit dem Namen Kantate (Singt!), dass wir in den Gottesdiensten nicht werden singen dürfen. Ist doch der Gesang, der Lobgesang Gottes der Ursprung des Gottesdienstes. Der Lobgesang ruft Gottes Gegenwart herbei, so dass er selbst wie der Klang der Stimmen und Instrumente den Raum erfüllt, sein Haus, den Tempel, die Kirche, wie es die Verse aus der biblischen Chronik schildern.
Am vergangenen Sonntag erfüllten Orgelklänge unsere Kirchen, während unsere Singstimmen wohl noch für längere Zeit schweigen müssen. Die Orgelklänge erinnern uns an Gottes Gegenwart, die sein Haus erfüllt. Gott ist da. In der Kirche, in seinem Haus, aber auch bei jeder und jedem von uns. Gott ist da, ohne jede Einschränkung und ohne Abstandregeln.
Harald Möhle, Pastor

Zum Sonntag Jubilate, 3. Mai 2020

Gedanken zum Predigttext:
Jesus sagt: Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger. (Johannes 15,1-8)
Eigentlich wäre an diesem Wochenende so viel dran gewesen. Maibaumaufstellen am Donnerstag Abend, Maifeiertag mit Kundgebungen zum Tag der Arbeit oder mit einem Frühlingsspaziergang und am Sonntag in vielen Kirchen Konfirmationen. Nun ist alles anders. Zwar gibt es erste Lockerungen bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Epidemie, aber auch Neues wie die Maskenpflicht im Bus und im Supermarkt. Die Kontaktsperre gilt weiterhin. So bleibt es schwierig, miteinander in Verbindung zu bleiben. Gemeinsame Grillabende mit den Nachbarn sind weiterhin nicht möglich, Maiwanderungen mit den Vereinskameraden auch nicht. So nutzen wir weiterhin vor allem das Telefon, die soziale Medien und das Internet, um miteinander in Verbindung zu bleiben. Auch die Kirchengemeinden machen das so.
In den Bibelversen, die für diesen Sonntag als Predigttext dran sind, spricht Jesus auch vom In-Verbindung-bleiben. „Bleibt in mir und ich in euch. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun“, sagt er.
Mit Jesus und mit Gott in Verbindung zu bleiben, das kommt uns in normalen Zeiten manchmal schwer vor. Wir sehen und hören ihn ja nicht, so wie wir einander hören und sehen. Aber diesen besonderen Zeiten scheint es fast so, als ob es einfacher ist, mit Gott in Verbindung zu bleiben als mit meinen Mitmenschen. Die Kontakte zu anderen unterliegen den Beschränkungen der Corona-Maßnahmen. Gott ist aber immer erreichbar. Er ist nur ein Gebet weit entfernt, lautet eine alte christliche Weisheit. Es braucht nur ein bisschen Vertrauen, um mit ihm in Verbindung zu bleiben. Und den Mut, ihm alles zu sagen, was mich beschäftigt. Er jedenfalls möchte mit uns in Verbindung bleiben, gerade in Zeiten wie diesen.
Harald Möhle, Pastor

Zum Sonntag Misericordias Domini, 26. April 2020

Gedanken zum Predigttext:
Christus hat für uns gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug befand; der, als er geschmäht wurde, die Schmähungen nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet; der unsere Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. (1. Petrusbrief 2, 21-25)

Christus hat für uns gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen
. Wir sollen Christus nachfolgen. Wir sollen den Fußspuren Jesu nachgehen. Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir zunächst ein Gedicht von Margaret Fishback Powers ein. Dieses Gedicht hängt seit Jahren über meinem Schreibtisch und begleitet mich tagtäglich. Es heißt „Spuren im Sand“. In dem Gedicht geht es darum, dass jemand in seinen Träumen am Strand spazieren geht. Währenddessen ziehen Bilder aus dem eigenen Leben vorbei. Jedes Mal sieht der Erzähler zwei Fußspuren im Sand, die eigene und die des Herrn. An vielen Stellen des Lebensweges sind allerdings nur die eigenen Spuren zu sehen. Rückblickend sind dies Zeiten im Leben, in denen es nicht leicht war. In denen man Schicksalsschläge hinnehmen musste. In denen man Hilfe brauchte oder traurig war. Und dann stellt der Erzähler die Frage, die sich im Laufe eines Lebens wahrscheinlich jeder stellt: „Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein. Aber jetzt entdecke ich, dass in den schwersten Zeiten meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist. Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am meisten brauchte?“ Warum soll ich dem Herrn weiter nachfolgen, wenn er mich alleine lässt? Wenn er sein Versprechen nicht hält, auf allen Wegen bei mir zu sein? Und dann die einfache Antwort: „Dort wo du nur eine Spur gesehen hast, da habe ich dich getragen.“ Eine einfache Erklärung. Der Herr war da. Er hat uns nicht allein gelassen. Er hat sein Versprechen nicht gebrochen. Er hat uns getragen. Er hat uns Halt gegeben. Er war da. Nachfolge bedeutet also, jemanden an seiner Seite zu haben, der da ist, wenn man ihn braucht. Eine Zusicherung, die Hoffnung schenkt. Hoffnung, auch in schweren Situationen des Lebens nicht allein zu sein – auch, wenn man oftmals das Gefühl hat, dass genau das der Fall ist. 

Jesus Christus hat in seinem kurzen Leben als Mensch viele Spuren hinterlassen. Spuren, die weit verteilt sind. Das können wir im Neuen Testament nachlesen. Wir müssen diese Spuren suchen, bevor wir sie finden. Erst dann können wir ihnen nachfolgen. 

Er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug befand; der, als er geschmäht wurde, die Schmähungen nicht erwiderte, nicht drohte.
Wenn ich mich nach den Spuren Jesu umschaue, sehe ich zunächst meine eigenen. Spuren, die zweifellos nicht immer nur schön sind. Unfreundlichkeiten, unhöfliche Worte, Kränkungen, Ungerechtigkeiten und vielleicht auch körperliche Gewalt. Und dann sind da diese großen Spuren Jesu, denen wir nachfolgen sollen. Gewaltfreie Spuren. Spuren eines gerechten Lebens. Gott ist sündlos. Jesus Christus ebenso. Eine Charaktereigenschaft, die uns maßgeblich von ihm trennt. Jesus nahm unsere Sünde auf sich. Nicht, um als Superheld hervorzugehen, sondern, um diese Trennung zwischen Gott und Mensch zu überwinden. Den Spuren Jesu nachfolgen, hat hier etwas Radikales: Wir müssen umkehren. Wir müssen die Richtung unseres bisherigen Lebens um 180 Grad ändern. 

Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.
Jesus Christus ist wie ein Hirte, der seine Schafe auf den richtigen Weg zurückführt. Ein Hirte kümmert sich um seine Schafe. Er sammelt sie ein, hält die Herde zusammen. Er lässt die Schwachen nicht zurück, sondern hilft ihnen mitzuhalten. Ein Hirte unterstützt, wenn eines seiner Schafe Hilfe braucht. Und er treibt die Herde voran. Auf den richtigen Weg. Ein Hirte ist da. Er lässt seine Schafe nicht alleine. Er kümmert sich. Und auch Jesus geht nicht einfach mit großen Schritten vor uns her. Wir müssen ihm nicht nacheilen. Jesus ist bei uns und begleitet uns. Und sei es, dass er uns in Nöten und Schwierigkeiten einfach trägt. Wir sind nicht allein. Wir haben jemanden an unserer Seite, der da ist, wenn man ihn braucht. Jesus ist da.

Vikarin Vanessa Bethe

Zum Sonntag Quasimodogeniti, 19. April 2020

Gedanken zum Predigttext:
26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. 27 Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«?
28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. 29 Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. 30 Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; 31 aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. (Jesaja 40,26-31)
Es beginnt mit Gegenfragen. „Wer hat all das geschaffen?“ „Warum sagst du: Mein Weg ist Gott verborgen, wie es mir ergeht, ist ihm egal?“ Aber der Ausgangspunkt sind Fragen, die Menschen an Gott haben. Ist es ihm egal, wie es uns geht? Sieht er es? Interessiert er sich für uns?
Das könnten auch unsere Fragen sein in dieser Corona-Krisenzeit. Müde fühlen wir uns vielleicht angesichts des gesellschaftlichen Stillstands und unvermögend, machtlos gegenüber diesem fiesen kleinen Virus, der unser aller Leben schon seit Wochen und noch weiterhin so sehr bestimmt und einschränkt.
Sieht Gott uns? Interessiert er sich für uns oder sind wir ihm egal? Das fragten sich, so berichtet der Prophet Jesaja, die Menschen im Volk Israel. Sie mussten weit weg von Zuhause in der Verbannung leben. Die Feinde hatten sie besiegt und weggeführt. Gott hatte offenbar das Interesse an ihnen verloren und kümmerte sich nicht mehr um sie, so schien es ihnen. Müde und matt waren sie geworden, es gab keine Perspektive.
Der Prophet Jesaja spricht seinem Volk Mut zu. Es ist nicht so, wie die Menschen denken. Gott hat sie keineswegs vergessen. Er ist und wird nicht müde und matt. Er hat einst die Erde geschaffen. Sein Verstand ist unausforschlich, sagt Jesaja. Das bedeutet, wir verstehen seine Gedanken und Wege manchmal oder oft nicht. Aber er ist da und begleitet uns, auch durch schwierige Zeiten.
Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, sagt der Prophet. Harren, das ist ein altes Wort, das wir nicht mehr so oft gebrauchen. Es bedeutet warten, aber es beschreibt etwas anderes als ungeduldiges Abwarten einer mehr oder weniger kurzen Zeit, bis der Bus kommt zum Beispiel oder bis die Mathestunde endlich zu Ende ist. Harren beschreibt ein Warten, das man als aktiv bezeichnen könnte. „Ausharren“ und „beharrlich“ sind zwei Wörter, in denen es auch in unserer Sprache noch vorkommt.
Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, so lautet die Verheißung. Der Prophet Jesaja ist zuversichtlich: Wer seine Hoffnung auf Gott setzt und geduldig auf ihn vertraut, der findet die Kraft, schwierige Zeiten und unklare Situationen durchzustehen. 
Der Prophet ermutigt seine Landsleute und uns zu Ausdauer und Durchhaltevermögen. Gott ist da, er ist bei ihnen, auch wenn ihnen das in ihrer aktuellen Lage ganz anders vorkommen mag. Gott ist da, er begleitet die Seinen, auch und gerade in schwierigen Zeiten. Seine Nähe und das Vertrauen zu ihm sind eine Kraftquelle. Wer in Schwierigkeiten voll Vertrauen auf Gott ausharrt, der bekommt neue Kraft.
Gottvertrauen verleiht Flügel, so beschreibt es der Prophet in einem Bild. Es hilft uns, die schwierigen Zeiten durchzustehen und auszuhalten und dabei den Mut und die Zuversicht nicht zu verlieren, auch wenn wir nicht erkennen können, wie lange die Schwierigkeiten dauern. Wir sind nicht allein. Gott ist da.
Neuen Mut, neue Kraft und Beharrungsvermögen, all das können wir in diesen Krisenzeiten gut gebrauchen. Der Prophet Jesaja lädt uns ein, im Vertrauen zu Gott die Quellen dafür zu suchen und zu finden.
Denn „die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müder werden.“

Harald Möhle, Pastor

Zum Karfreitag, 10. April 2020

Gedanken zum Predigttext:
Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“ (2. Korinther 5, 19-21)

Versöhnung: ein Begriff, der mir direkt ins Auge springt. Aber was genau heißt das eigentlich? Versöhnung ist ein wechselseitiges Geschehen. Ein Streit wird geschlichtet; man versucht das Problem zu beseitigen. Es werden Kompromisse gesucht; man spricht sich aus. Das, was zu einem Konflikt geführt hat, wird aus dem Weg geräumt. Man entschuldigt sich. Man kommt wieder miteinander zurecht. Ja, man versöhnt sich eben.
Zur Versöhnung müssen allerdings beide Seiten bereit sein. Jeder muss sich seiner Schuld bewusstwerden. Entschuldigungen müssen formuliert und angenommen werden. Und falls die Schuld nur einseitig zu finden ist, dann ist auch klar, von wem die Entschuldigung kommen muss.
Zum Versöhnen gehört auch das Verzeihen. Wenn ich meinem Gegenüber immer wieder seine Verfehlungen „aufs Brot schmiere“, ist eine Versöhnung unmöglich.  Versöhnen ist ein wechselseitiges Geschehen. Jeder trägt seinen Teil dazu bei.
Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
Paulus, der Verfasser des 2. Korintherbriefs, versteht die Versöhnung hier allerdings anders. Auch bei ihm ist die Versöhnung ein wechselseitiges Geschehen. Allerdings kommt nicht der schuldig gewordene Mensch zu Gott und bittet ihn um Verzeihung, sondern die Versöhnung geht allein von Gott aus. Er wartet nicht auf eine Entschuldigung, sondern räumt alles Trennende aus dem Weg. Die Versöhnung Gottes mit der Welt ist eine Art Ablösen. Jesus wird am Kreuz zur Sünde und sein Tod schafft diese aus der Welt. Gott nimmt die Sünde und schenkt Gerechtigkeit. Gott schenkt uns Freiheit. Und das alles passiert einfach so. Gott versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu. Ohne Entschuldigungen. Ohne Kompromisse. Ohne Worte, auf die Taten folgen müssen. Wir haben nichts dazu beigetragen. Weder unser Glaube noch unsere Frömmigkeit waren dafür notwendig. Und die Versöhnung gilt ausnahmslos allen. Denen, die zweifeln. Denen, die mit Kirche nichts am Hut haben. Denen, die glaubensstark sind. Sie gilt den Arbeitslosen, Obdachlosen, Reichen und Armen. Allen. Und das sollte doch eigentlich ein Grund zur Freude sein! Ja, vielleicht sogar ein Grund zum Feiern. 
Freude? An Karfreitag? In den Erinnerungen meiner Kindheit war Karfreitag immer ein langweiliger und auch düsterer Tag. Im TV wurden keine heiteren Filme oder gar Krimis gezeigt. Im Radio wurde nur bedrückende Musik abgespielt. Man durfte draußen nicht mit seinen Freunden spielen. Spielen an Feiertagen war ein „no go“. Ganz besonders an Karfreitag. Ein Gefühl von Depression begleitet mich bei dem Gedanken an Karfreitag während meiner Kindheit. Freude? Absolut undenkbar. Und heute? Heute ist das TV-Programm kaum anders als gewöhnlich. Allein das Tanz- und Feierverbot erinnert an die getrübte Stimmung, die Karfreitag immer irgendwie hatte. 
Feiern? In dieser Zeit? Ich muss zugeben, auch mir ist aktuell nicht nach Feiern zumute. Die Ungewissheit über die Zukunft und die Angst um meine Liebsten bestimmen meine Gefühlswelt. Und praktisch ist Feiern zu Zeiten der Corona-Krise eh unmöglich. Wir können nicht feiern. Weder Hochzeiten, Geburtstage, Jubiläen, noch Gottesdienste. Das Kontaktverbot bestimmt unseren Alltag. Wir sind gefangen in der düsteren Stimmung, aus der wir trotzdem ausbrechen können. 
Karfreitag ist die Erinnerung daran, wie die Welt von Gott aus gesehen nicht sein soll. Und Karfreitag ist auch nicht zu denken ohne Ostersonntag. Daran müssen wir festhalten. Und vielleicht beschert uns der Gedanke an Jesu Auferstehung und der Hoffnung auf ewiges Leben ein freudiges Gefühl. Ein Gefühl von innerem Feiern. Ein Gefühl von Versöhnung.  
Bleiben Sie behütet und gesund!

Ihre Vikarin Vanessa Bethe

Zum Palmsonntag, 5. April 2020

Gedanken zum Predigttext:
Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der Ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie Jesus mit List ergreifen und töten könnten. Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe.
Als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat. (Markus 14,1-9)

Am Palmsonntag erinnern wir uns daran, dass Jesus in Jerusalem wie ein König empfangen wurde. Die Menschen setzten große Hoffnungen auf ihn. Vielleicht erwarteten sie, dass Gott seine Herrschaft nun endgültig durchsetzen würde, dass er all ihrem Leid und ihrer Not ein Ende setzen würde.

Es sollte ganz anders kommen. Die Einflussreichen und die Mächtigen trachteten danach, Jesus unschädlich zu machen. Sie halten ihn für gefährlich. Er spricht von Gottes bedingungsloser Liebe. Das ist ihnen zu einfach. Das können sie nicht akzeptieren. Das wollen sie unterbinden.

Noch zwei Tage waren es nun bis zum Passafest. Und Jesus ist mal wieder bei jemandem zu Gast. Er hat sich ja oft mit allen möglichen und unmöglichen Leuten an einen Tisch gesetzt. So hat er deutlich gemacht, dass bei Gott alle willkommen sind, dass Gott niemanden ausgrenzt. Deshalb hat er am Abend vor seinem Tod auch das gemeinsame Mahl als ein Zeichen für seine bleibende Gegenwart unter uns eingesetzt.

Hier passiert nun etwas anderes. Eine Frau kommt mit einem sehr wertvollen, wohlriechendem Öl zu Jesus und salbt ihm damit den Kopf. Sie will ihm damit etwas Gutes tun, aber das ruft Unverständnis hervor. Sogar bei denen, die schon lange mit Jesus zusammen sind. Das ist doch Verschwendung! So ein teures Öl. Wenn man es verkauft hätte, wieviel Armen hätte man mit dem Geld etwas Gutes tun können! So lauten die Einwände. Was könnte man mit dem Geld alles machen! Aber mit Geld kann man eben auch nicht alles machen, das merken wir in Zeiten wie diesen ganz besonders.

Jesus nimmt die Frau in Schutz. Und er stellt sich in ganz ungewohnter Weise einmal selbst in den Mittelpunkt. Er weiß, dass es bis zu seinem Tod nicht mehr lange dauert. „Arme habt ihr immer bei euch, denen könnt ihr also immer etwas Gutes tun. Mich habt ihr aber nicht immer bei euch“, sagt er. Und dann deutet er die Salbung auf seinen Tod hin. Eigentlich war es üblich, den Leichnam nach dem Tod einzubalsamieren. Das hatte ja auch die Frauen vor, die am Ostermorgen zu Jesu Grab gingen. Aber da fanden sie ihn schon nicht mehr…

Die vorzeitige Salbung ist also auch ein Hinweis darauf, dass es Jesus nicht lange im Grab halten würde. Noch steht ihm das alles aber bevor. Noch scheint er auch relativ gelassen damit umzugehen, so, wie er von seinem Begräbnis spricht. Ganz anders als wenig später in Gethsemane. Dort ringt er im Gebet mit Gott, seinem Vater, darum, ob er diesen schweren Weg wirklich gehen muss.

Auch wir haben in diesen Krisenzeiten keine leichten Weg zu gehen. Manchem fällt es schwerer, mit den gebotenen Einschränkungen umzugehen, manchem leichter. Vielen wird bewusster, worauf es ankommt und was verzichtbar ist. Es ist auch wichtig, sich etwas Gutes zu tun oder tun zu lassen. So wie Jesus sich hier von der Frau Gutes tun lässt. Seinen schwersten Wegabschnitt hat er noch vor sich. Aber in der Ferne leuchtet die Hoffnung: zur Salbung zu seinem Begräbnis wird es nicht kommen. Gott hat anderes mit ihm vor. Das Leben wird den Sieg davontragen.

Ist das eine Hoffnung auch für uns in dieser schwierigen Zeit? Ich wünsche es uns. Bleiben Sie gesund und behütet!

Harald Möhle, Pastor

Zum Sonntag Judika, 29. März 2020

Gedanken zum Predigttext:
Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir. (Hebr 13,12-14)
Jesus hat draußen vor dem Tor gelitten, um sein Volk durch sein Blut zu heiligen. Sein Leiden hat uns zu etwas Besonderem gemacht; es hat uns zu dem gemacht, was wir nun sein dürfen: Jesus Christus hat durch seinen Tod unsere Sünden von uns genommen. Aber zu welchem Preis? Jesus hat gelitten draußen vor dem Tor. Dort wurden die Verurteilten hingeführt, um darauf zu warten ans Kreuz genagelt zu werden. Ein Ort, an dem die Soldaten das Sagen hatten, an dem laut geschrien, geklagt und vielleicht auch geweint wurde. Kein ruhiger oder beschaulicher Ort, sondern ein Ort, an dem Menschen zusammenkamen, die neugierig waren. Neugierig, wie andere leiden und Schmerzen ertragen müssen. Eine Ansammlung von Gaffern, von Menschen, die sich am Leid anderer kaum sattsehen können. All das an nur einem Ort: draußen vor dem Tor in Golgatha.
Und genau dort hat Jesus für uns gelitten. Da draußen, wo Verzweiflung und Zweifel herrscht. Dort, wo man ganz einsam und von allen verlassen ist; so ganz ohne Familie. Ein trauriger Gedanke und doch so tröstlich. Denn: Jesus nimmt an diesem grausamen Ort die Sünde von uns. Dennoch bleibt da dieses Unrecht, vor dem auch wir nicht die Augen verschließen sollten.
Judica – so nennt man den heutigen Sonntag, an dem es vor allem um die Durchsetzung von Recht geht. Ungerechtigkeiten sollen aus dem Weg geräumt werden. Der unbekannte Verfasser des Hebräerbriefs macht deutlich, dass wir unseren Teil dazu beitragen müssen, um friedlich in einer Gemeinschaft zusammenleben zu können. Wie genau das geschieht, liegt in unserer Hand. Aber erfordert das immer gleich einen negativen Aspekt? Müssen wir leiden, damit andere glücklich sind? 
So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Die Passion Jesu zeigt uns einen anderen Weg, einen Weg abseits vom Begaffen anderen Leids. Jesus rettet und befreit uns durch die Gabe seines Lebens. In seiner Nachfolge soll niemand mehr leiden müssen. Aber was genau sollen wir nun tun? Mit anderen mitleiden? Solidarisch mit denen sein, die aussortiert sind? Sollen wir unseren eigenen Status riskieren? Der Hebräerbrief sagt es ganz klar: Jeder so, wie er es kann. 
Dietrich Bonhoeffer, ein evangelischer Pastor und Widerstandskämpfer gegen Hitler, entwirft in einem seiner Gedichte ein Bild von Kirche, die eine Kirche für andere sein soll. Eine Kirche, die nicht um ihrer selbst willen besorgt ist, sondern den Ausgestoßenen dient. Welche ihnen in ihrer eigenen Not beisteht. Eine Kirche, die sich nicht an den Gütern der ihr anvertrauten Menschen bereichert, sondern mit Dingen des täglichen Lebens versorgt. 
Gerade in Zeiten der Coronavirus-Krise ist es wichtig, dass jeder ein Opfer erbringt. Wenn auch nur ein kleines. Vielerorts sieht man es bereits: Konfirmanden, die für die Älteren im Dorf einkaufen gehen. Der Pastor, der sich nach dem Wohl seiner Gemeindeglieder erkundigt. Oder aber auch die Nachbarin, die mit dem Hund einer älteren Anwohnerin spazieren geht. Es geht darum, dass wir zusammenhalten, gemeinsam diese schwere Krise bewältigen und nicht aufgeben. Denn es gibt jemanden, der sich für uns geopfert hat. Der uns zu etwas Besonderem gemacht hat. 
Im Hebräerbrief heißt es weiter: Denn wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir. Wir wissen nicht, wann die Coronavirus-Krise vorbei sein wird. Es wird nichts so bleiben, wie wir es kennen. Unser Leben wird sich verändern. Werden wir Familienangehörige verlieren? Wird sich die Wirtschaft erholen? Werden Betriebe schließen und vielleicht auch Insolvenz anmelden müssen? Wir wissen es nicht. Wir können nur hoffen, beten und auf Gott vertrauen. Den Weg mit Gott gehen, heißt auch, dass wir zweifeln dürfen. Wir dürfen uns fürchten und Ängste äußern. Wir dürfen uns fragen, was die Zukunft mit sich bringt. Wir müssen nicht auf alles eine Antwort haben. Wir dürfen ratlos sein. Aber Gott ist da. Er trägt uns. Er lässt uns nicht alleine, erstrecht nicht in Nöten, Ängsten und Schwierigkeiten. 
Den Weg mit Gott gehen, bedeutet aber auch, dass wir nicht nur an uns denken, sondern auch an unsere Mitmenschen. Wir müssen nicht übertrieben viel kaufen. Es reicht, wenn wir nur das nehmen, was wir wirklich brauchen. Es gibt genug für alle. Diese kleinen Dinge können bereits helfen, dass wir in dieser Krise nicht unsere Werte verlieren. Lasst uns weiterhin menschlich bleiben. Lasst uns bei Christus stehen, seine Schmach tragen und ihm dienen. Wir können auch in dieser dunklen Zeit die Welt ein wenig heller, wärmender und erträglicher machen. Amen

Vanessa Herlitschke, Vikarin

Zum Sonntag Lätare, 22. März 2020

Gedanken zum Predigttext:
Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid. Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust. Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden. Ihr werdet's sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des Herrn an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden. (Jesaja 66,10-14)

Gott tröstet uns wie eine Mutter, das ist ein schöner Vergleich. Wir müssen uns Gott nicht immer nur als strengen oder auch gütigen Vater vorstellen. Gott passt nicht in unsere menschlichen Geschlechterrollen. Wobei das Bild von Gott als tröstender Mutter hier sehr deutlich ausgemalt wird. Wir werden saugen, auf dem Arm getragen werden und auf den Knien liebkost, heißt es da, und weiter: Wir dürfen uns satttrinken an den Brüsten ihres Trostes. 
Da sage nochmal einer, die Bibel sei leibfeindlich. So deutlich wollten wir es uns vielleicht gar nicht vorstellen. Aber hier wird das Bild der tröstenden Mutter ohne falsche Scham ganz ausgemalt. Gott geht so fürsorglich mit uns um wie eine Mutter mit ihrem Baby. Ganz so können wir bei ihm geborgen und aufgehoben sein wie ein kleines Kind an der Mutterbrust.

Geborgenheit und Trost, das ist für viele gerade das, wonach sie sich in diesen Zeiten sehnen. Die Coronakrise verändert unser Leben und unseren Alltag in nie vorgestellter und erwarteter Weise. Hoffnung, Trost und Halt haben wir in diesen Zeiten noch viel, viel mehr nötig als sonst. Unsere Sehnsucht nach einem erfüllten Leben wird auf die Probe gestellt. Wir werden in unseren Freiheiten eingeschränkt, haben Angst vor dem, was noch kommen wird. Und dann ist da dieses Bild von Gott als tröstender Mutter. Gott als jemand, auf den man sich verlassen kann - dessen Liebe wir uns gewiss sein können und der uns in diesen schweren Zeiten nicht alleine lässt.
Die Worte aus dem Propheten Jesaja ebenso wie der Name des Sonntags ("Freut euch") rufen uns zu Freude auf. Dieser Sonntag in der Mitte der Passionszeit zwischen Aschermittwoch und Karfreitag ist traditionell der Freude gewidmet, weil die Hälfte der anstrengenden Fastenzeit hinter uns liegt. Er wird auch als kleines Ostern bezeichnet, an dem der Auferstehungssieg schon durchscheint.
In diesem Jahr wird die Zeit der Leiden aber wohl viel länger dauern als nur vierzig Tage. Wir werden Ostern feiern, aber diesmal nicht wie gewohnt mit feierlichen Gottesdiensten in unseren Kirchen. Wir wissen nicht, wie lange die Gefährdung durch diesen neuartigen Virus anhält, was wir noch werden durchmachen müssen und wann wirklich wieder reine Freude herrschen darf. Dennoch sollten wir uns unsere Lebensfreude nicht nehmen lassen, uns auch an kleinen Dingen erfreuen, auf Gott vertrauen und einander auch in der Ferne beistehen.
Die Zusage des mütterlichen Trostes können wir in diesen Tagen auf jeden Fall besonders gut gebrauchen. Wir wünschen Ihnen Ausdauer, Kraft und freudige und tröstliche Momente. Bleiben Sie behütet!

Harald Möhle, Pastor und Vanessa Herlitschke, Vikarin

Zum 2. Sonntag nach dem Christfest, 3. Januar 2021

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