Zum Sonntag Reminiscere, 28. Februar 2021

Fri, 26 Feb 2021 23:00:01 +0000 von Harald Möhle

Gedanken zum Predigttext
Ich will singen von meinem Freund, das Lied meines Liebsten von seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe. Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit edlen Reben. Er baute in seiner Mitte einen Turm und hieb zudem eine Kelter in ihm aus. Dann hoffte er, dass der Weinberg Trauben brächte, doch er brachte nur faule Beeren. Und nun, Bewohner Jerusalems und Männer von Juda, richtet zwischen mir und meinem Weinberg! Was hätte es für meinen Weinberg noch zu tun gegeben, das ich ihm nicht getan hätte? Warum hoffte ich, dass er Trauben brächte? Und er brachte nur faule Beeren! Jetzt aber will ich euch kundtun, was ich mit meinem Weinberg mache: seine Hecke entfernen, sodass er abgeweidet wird; einreißen seine Mauer, sodass er zertrampelt wird. Zu Ödland will ich ihn machen. Nicht werde er beschnitten, nicht behackt, sodass Dornen und Disteln hochkommen. Und den Wolken gebiete ich, keinen Regen auf ihn fallen zu lassen. Denn der Weinberg des HERRN der Heerscharen ist das Haus Israel und die Männer von Juda sind die Pflanzung seiner Lust. Er hoffte auf Rechtsspruch - doch siehe da: Rechtsbruch, auf Rechtsverleih - doch siehe da: Hilfegeschrei. (Jesaja 5,1-7)
Neue Rebstöcke werden im Frühjahr gepflanzt. Zunächst werden alte, abgestorbene Rebstöcke in bereits bestehenden Rebanlagen ersetzt oder bei Bedarf als Neuanlagen gepflanzt. Ansonsten wird das Gras rund um die Reben geschnitten. Als Schutz werden die abgeschnittenen Gräser am Boden des Weingartens liegen gelassen. Diese Schutzschicht nennt man Mulch. Sie wird dazu genutzt, um den Boden vor äußeren Einflüssen wie Trockenheit und Wind zu schützen. Die Erde kann feucht bleiben, da der Wind die Erde nicht austrocknet und das Wasser in der Erde verdunstet nicht so leicht. Die Schutzschicht hilft aber auch, Unkrautwuchs zu verhindern. Würmer, Bakterien und Mikroorganismus lockern unter dem Mulch den Boden auf. Sie zersetzen den Grasschnitt, wodurch der Erde Nährstoffe zugefügt werden. Wenn die Gräser rund um die Rebstöcke gemäht sind, kümmert sich der Weinbauer um die Rebstockpflege. Junge Triebe, die nicht benötigt werden oder schlecht und am Stamm ausgetrieben sind, werden am Rebstock entfernt. Das passiert alles per Hand. Anschließend kommen die Triebe in ein Drahtgerüst. Ende April beginnen die Reben auszutreiben und die Knospen brechen auf. Grüne Triebspitzen sind sichtbar. Bis zur Weinlese im Herbst ist es ein weiter Weg. Ein Weingarten macht viel Arbeit. 
„Was hätte es für meinen Weinberg noch zu tun gegeben, das ich ihm nicht getan hätte? Warum hoffte ich, dass er Trauben brächte? Und er brachte nur faule Beeren!“ 
Die Enttäuschung des Weinbauers aus dem Buch des Propheten Jesaja ist groß. Er hat viel Herzblut in die Aufzucht der Reben gesteckt. Aber die Arbeit ist umsonst. In dieser Enttäuschung schwingt auch Frust und Ärger mit. Der Weinbauer droht damit, den Weinberg nicht mehr zu pflegen und nicht weiter zu bewirtschaften. Er möchte „seine Hecke entfernen, sodass er abgeweidet wird; einreißen seine Mauer, sodass er zertrampelt wird. Zu Ödland will ich ihn machen. Nicht werde er beschnitten, nicht behackt, sodass Dornen und Disteln hochkommen.“ 
Ganz schön drastisch ist der Weinbauer da unterwegs. Klar, die Enttäuschung ist groß. Aber deswegen gleich die Flinte ins Korn werfen und aufgeben? Mir scheint es, als hätte der Weinbauer schon einige Male versucht, dass seine Reben Frucht tragen. Als sei er jedes Mal gescheitert. Dass man dann irgendwann keine Lust mehr hat, seine Energie weiterhin in etwas zu stecken, was am Ende nicht viel bringt, macht für mich Sinn. Ich kenne das schließlich auch von mir. Wenn ich nach dem fünften Versuch immer noch nicht in die Parklücke komme, lasse ich es bleiben und nehme die nächste. Der Predigttext endet aber nicht mit dieser Erkenntnis, sondern bezieht die ganze Szenerie auf die Beziehung zwischen Gott und den Menschen.  
„Denn der Weinberg des HERRN der Heerscharen ist das Haus Israel und die Männer von Juda sind die Pflanzung seiner Lust. Er hoffte auf Rechtsspruch - doch siehe da: Rechtsbruch, auf Rechtsverleih - doch siehe da: Hilfegeschrei.“ 
Jesus spricht gerne in Gleichnissen, um schwierige Sachverhalte bildlich darzustellen. Auch der Prophet Jesaja bedient sich gewissermaßen dieses Stilmittels. Er setzt Gott mit dem Weinbauern gleich, das Volk Israel mit den Reben. Viel Arbeit steckt Gott in die Aufzucht seines Volkes. Wie der Weinbauer pflegt er seine Rebstöcke. Tut alles, damit es ihnen gut geht. Seine Arbeit trägt aber keine Frucht. Statt nach den Gesetzen zu leben, werden diese immer wieder gebrochen. Und sobald sich Gott von den Menschen abwendet, rufen sie nach ihm. Die Geschichte Gottes endet aber nicht so, wie es hier beschrieben wird. Der Weinberg wird verschont. Und das, obwohl Gott darunter leidet, dass er mit viel Herzblut und Arbeit seinen Weinberg errichtet hat und die Menschen nicht daraus machen. Am Kreuz nimmt Gott selber das auf sich, was zur Zerstörung des Weinbergs geführt hätte. Und damit bietet er einen Weg zur Umkehr. Er zerstört den Weinberg nicht, sondern gibt seinen Reben die Möglichkeit mit seiner Hilfe Frucht zu tragen. Amen.
Vanessa Bethe, Vikarin
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