Zum Sonntag Estomihi, 14. Februar 2021

Fri, 12 Feb 2021 23:00:01 +0000 von Harald Möhle

Gedanken zum Predigttext
1 Ruf, so laut du kannst, halt dich nicht zurück! Lass deine Stimme erschallen wie ein Widderhorn! Halt meinem Volk seine Verbrechen vor, den Nachkommen Jakobs ihre Vergehen. 2 Sie befragen mich Tag für Tag und wollen wissen, was mein Wille ist. Als wären sie ein Volk, das Gerechtigkeit übt und das Recht seines Gottes nicht missachtet! Sie fordern von mir gerechte Entscheidungen und wollen, dass ich ihnen nahe bin.3 Und dann fragen sie mich: Warum achtest du nicht darauf, wenn wir fasten? Warum bemerkst du nicht, wie wir uns quälen? Ich antworte: Was tut ihr denn an den Fastentagen? Ihr geht euren Geschäften nach und treibt eure Untergebenen zur Arbeit an! 4 Ihr fastet nur, um Zank und Streit anzuzetteln und mit roher Gewalt zuzuschlagen. So wie ihr jetzt fastet, findet eure Stimme im Himmel kein Gehör. 5 Meint ihr, dass ich ein solches Fasten liebe? Wenn Menschen sich quälen, den Kopf hängen lassen wie umgeknicktes Schilf und in Sack und Asche gehen? Nennst du das Fasten, einen Tag, der dem Herrn gefällt?
6 Das wäre ein Fasten, wie ich es liebe: Löst die Fesseln der zu Unrecht Gefangenen, bindet ihr drückendes Joch los! Lasst die Misshandelten frei und macht jeder Unterdrückung ein Ende! 7 Teil dein Brot mit dem Hungrigen, nimm die Armen und Obdachlosen ins Haus auf. Wenn du einen nackt siehst, bekleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Nächsten! 8 Dann bricht dein Licht hervor wie die Morgenröte, und deine Heilung schreitet schnell voran. Deine Gerechtigkeit zieht vor dir her, und die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach. 9 Dann antwortet der Herr, wenn du rufst. Wenn du um Hilfe schreist, sagt er: Ich bin für dich da!  (Jesaja 58,1-9a, Übersetzung: Gute Nachricht Bibel)

Der Prophet Jesaja lässt hier Menschen zu Wort kommen, die in schwierigen Zeiten nach Gott fragen und sich wundern, dass Gott nicht antwortet. Sie suchen Orientierung bei ihm, finden sie aber nicht. Sie absolvieren ihre religiösen Übungen, aber sie kommen Gott dadurch nicht näher. Was läuft falsch?
Der Prophet Jesaja erklärt ihnen im Auftrag Gottes, was das Problem ist: Ihre religiösen Übungen, ihre Gebet, ihr Fasten bringen nichts, weil sie nichts mit ihrem Leben und ihrem Verhalten zu tun haben. Gott möchte Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit. Solange das nicht gegeben ist, verhallen Gebete ungehört und bringen religiöse Übungen nichts.
Das mag nicht so ganz unser Problem sein, aber vielleicht doch ein bisschen. Unser Bezugspunkt zum Predigttext ist das Fasten. Dieser Sonntag mit dem Namen Estomihi ist der Sonntag vor der Passions- oder Fastenzeit. Der Predigttext blickt auf das Fasten voraus.
Während das Verzichten auf bestimmte Lebensmittel in der katholischen Kirche in der Zeit vor Ostern vorgeschrieben ist, geschieht es im evangelischen Bereich auf freiwilliger Basis. Ausgehend von der Aktion „Sieben Wochen ohne“ erfreut es sich seit vielen Jahren großer Beliebtheit. Viele Menschen verzichten mittlerweile auch gänzlich ohne religiöse Motivation in den Wochen vor Ostern auf Süßigkeiten, Alkohol, Fleisch oder anderes. Sie tun es vielleicht aus Wellness- oder Lifestylegründen. Das Verzichten in den Wochen vor Ostern ist auch in den Medien ein beliebtes Thema geworden.
Nun befinden wir uns schon seit mehreren Wochen im sogenannten Lockdown und müssen wegen der Corona-Pandemie schon lange auf vieles verzichten. Das kann einem vorkommen wie eine Art staatlich verordnete verschärfte Fastenzeit. Deshalb ist die Sehnsucht groß, mal nicht mehr verzichten zu müssen, sondern wieder genießen zu dürfen. Da scheint die Fastenzeit zur Unzeit zu kommen. Freiwillig auf noch mehr verzichten? Ohne mich, mögen viele dieses Jahr denken, und wer hätte dafür kein Verständnis?
Die Fastenzeit erinnert uns wie alle besonderen Zeiten des Kirchenjahres daran, dass das Leben auch mit Corona weitergeht, wenn auch ganz anders als gewohnt. In normalen Zeiten lehrt uns die Fastenzeit vor Ostern Geduld. Sie trainiert uns, wenn wir uns denn darauf einlassen, mit weniger als normal auszukommen. Die Fastenzeit ist aber auch begrenzt. Sie hat ein absehbares Ende. Das fördert die Motivation und ist ein Grund zur Freude.
Solche Perspektiven haben die durch die Corona-Epidemie verursachte Einschränkungen nicht zu bieten. Das macht den Umgang mit ihnen besonders schwer. Aber wir sollten auch nicht immer nur auf die Schwierigkeiten achten. Die Fastenzeit macht uns wie gesagt bewusst, dass das Leben weitergeht. Sie ist eine Zeit des Verzichts und der Entbehrung. Aber danach kommt Ostern. Freude, Frühling, neues Leben. Auch wenn das Osterfest dieses Jahr noch einmal ganz anders sein wird als gewohnt, weist es uns doch darauf hin, dass die Zeiten der Entbehrung und des Verzichts einmal ein Ende haben werden.
Bis es soweit ist, wünsche ich uns Ausdauer, Geduld und frohen Mut. Und wenn wir in der Fastenzeit freiwillig und nicht nur durch die Corona-Maßnahmen gezwungen auf etwas verzichten, dann haben wir etwas, auf das wir uns freuen können, weil dieser Verzicht zu Ostern wieder endet.
Harald Möhle, Pastor
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